Wir verlassen zeitig unsere Unterkunft. Heute geht es endlich weiter nach Südrussland. Als Dankeschön und Abschiedsgeschenk stellen wir unserer "Hausdame" Larissa noch ein Souvenir vom Schwarzwald vor die Tür: Kirschwasser, Schwarzwälder-Schinken und einen original Tannenzweig einer Schwarzwälder Fichte.
Per U-Bahn und per Überlandbus geht es in Richtung Flughafen Moskau-Scheremetjewo.
Am Flughafen angekommen, würde ich gleich am eigenen Leib erfahren, was Korruption in Russland bedeutet. An den Flughäfen gibt es in der Regel eine Sicherheitskontrolle (mit Röntgen-Geräten) am Eingang, also beim Betreten des Gebäudes, sowie dann nochmals nach dem Einchecken. Bereits bei der ersten Kontrolle selektieren zwei Sicherheitsbeamte die Reisenden, ich vermute gezielt nach Touristen Ausschau haltend.
Als ich beim Ankleiden meiner Schuhe und meines Gürtels meinen deutschen Pass kurz ablege, ist für die Herren natürlich klar, daß ich Ausländer bin. Veronika, die einen russischen Pass hat, ist bereits durch die Kontrolle durch und läuft in Richtung Check-In. Ich werde auf Russisch angesprochen und verstehe natürlich garnichts. Verzweifelt rufe ich nach meinem "russischen Sprachrohr" - sie hört mich erst nicht, was offensichtlich zur Erheiterung der Grenzer beiträgt. Ich werde nervös. Nachdem ich drei Mal durch den ganzen Flughafen gebrüllt habe, kommt Veronika zurück. Die beiden Grenzer sind zwischenzeitlich von ihrem Vorgesetzten abgelöst worden.
Es gibt offensichtlich Probleme mit dem in russischer Sprache ausgefüllten Formular, auf welchem alle Reiseziele der Reise einzutragen sind. Das Reisebüro hatte hier offenbar schlampig gearbeitet; es ist jedenfalls nur Moskau dort eingetragen und nicht unser südrussisches Ziel. Komischerweise beanstandet der Zöllner nicht, daß ich mich bisher noch nicht habe registrieren lassen, obwohl bereits der vierte Tag in Russland angebrochen ist und das ja nun bis spätestens zum dritten Tag zu erfolgen hat.
Unsere Koffer dürfen wir zwischenzeitlich aufgrund des baldigen Abfluges einchecken. Er schaut auf die Uhr und weiß genau, daß er uns noch mindestens 15 Minuten hier festhalten kann, was er auch tut. Seine erste Frage ist sinngemäß "Wollen wir gesetzlich oder ungesetzlich vorgehen?", also mit anderen Worten "Soll ich Euch Probleme machen oder bestecht ihr mich?".
Der schmierige, kleine, fette Gnom von Zollmensch gibt uns den "guten Rat", das beanstandete Dokument in Zukunft einfach nicht mehr unaufgefordert vorzuzeigen, damit der Fehler nicht auffällt! Soooo wichtig scheint also das Dokument dann auch wieder nicht zu sein...
Veronika fragt mich, ob ich mich für den "gut gemeinten Ratschlag" nicht erkenntlich zeigen möchte; ich fuchtele sowieso schon die ganze Zeit mit meinem Portemonnaie rum, um den Gnom milde zu stimmen. Ich will ihm was geben, aber er lehnt ab - doch nicht in der Öffentlichkeit! Bestechung ist nämlich auch in Russland offiziell verboten! Plötzlich sagt mir Veronika, ich solle dem Zöllner folgen - wir gehen in eine blickdichte Kabine, wo wir ungestört sind. Ich überlege mir in diesem Moment, daß er so ziemlich alles mit mir machen könnte. Bevor ich diesen Gedanken vertiefen kann, sagt der Typ auf Russisch etwas zu mir. Ich weiß nicht, was er sagt, jedenfalls gebe ich ihm meine 1.000 Rubel (= knapp 50 €), was circa einem Drittel seines monatlichen Gehaltes entsprechen dürfte, was ich allerdings erst nachher erfahre. Ich verschwinde genauso schnell wieder aus der Kabine wie ich reingekommen bin und habe eine fast unbändige Wut im Bauch. Egal, ich bin froh, daß ich es hinter mir habe.
Immerhin habe ich uns schon vor meinem geistigen Auge mit der Deutschen Botschaft oder sonstigen staatlichen Institutionen telefonieren sehen, um die Weiterreise zu ermöglichen. Im nachhinein betrachtet war die ganze Aufregung vermutlich umsonst, aber da es für mich eine ungewohnte, fast schon bedrohliche Situation darstellte, war ich dementsprechend nervös. Ich hasse sowas!
Im Flugzeug der Aeroflot, während des Fluges mit der Nummer SU 785 in Richtung Mineralnyje Wody [Минеральные Воды] beruhige ich mich wieder ein wenig. Dort sitzt ein reicher Russe neben uns, dem Veronika von unseren Problemen eben erzählt. Er unterstützt uns bei der Grenzkontrolle, als wir in Mineralnyje Wody ankommen. Klare Ansage der beiden an mich: Direkten Blickkontakt mit den Grenzern vermeiden, nicht sprechen und möglichst gelassen und cool sein. Wir kommen ohne Kontrolle aus dem Flughafengebäude obwohl die Grenzer wie Raubtiere um die ankommenden Fluggäste schleichen.

Die Fahrt nach Pjatigorsk ist sehr interessant. Erste Eindrücke vom eher ländlich geprägten Südrussland überfluten mich. Die Stadt Pjatigorsk [Пятигорск] ist mit ihren knapp 140.000 Einwohnern nach der Stadt Stavropol (nach der die Region benannt ist) die zweitgrößte Stadt in der Region Stavropol.
Meine längst überfällige, amtliche Registrierung scheint wieder ein Problem zu werden. Da ich mich innerhalb der ersten drei Tage registrieren lassen muß und wir heute bereits den vierten Tag des Russland-Aufenthaltes haben, sei eine Registrierung durch das Hotel nicht möglich. Ich kotze fast. Nach einigen Überredungskünsten durch Veronika sind die Mädels an der Rezeption dann doch bereit, die Formalitäten für mich zu erledigen. Uff!
Nach der Inspektion der Zimmer erkunden wir die Umgebung. Wir wandern durch die Stadt und erklimmen den nächstgelegenen Berg. Sehr spannend alles und sehr viele Eindrücke! Schaut Euch einfach die Fotos an!
Insgesamt ist Pjatigorsk ein Kurort mit vielen Heilquellen und heissen Mineralwässern. Die Stadt hat eine Art von "Ostalgie"-Charme, der sie für mich sympathisch macht. Die Menschen sind offen und freundlich und sehr neugierig auf Fremde, die hier offensichtlich nicht so oft auftauchen. Vermutlich bin ich eher einer der seltenen westlichen Gäste.

Sehr angenehm finde ich, daß in vielen der besseren Restaurants Livemusik gespielt wird. In der Regel wird dann ein Musikaufschlag berechnet. Diese Kröte schluckt man aber gerne, da die Qualität der Musiker, insbesondere der Sänger, oftmals wirklich erstklassig ist.
Da ich keine russischen Speisekarten lesen kann, bestellt Veronika immer eine Auswahl von Speisen. Sie hat dabei ein ausgesprochen gutes Händchen, denn ich bin von der russischen Küche mehr als begeistert.
Und noch eine Bemerkung: Da angeblich die Wasserleitungen in der Stadt "auf den Winter vorbereitet" werden, gibt es vielerorts kein Frischwasser; in der Regel steht in dieser Zeit in den Hotels und Restaurants nur ein Eimer mit Wasser und eine Schöpfkelle zur Verfügung. Die Toiletten werden nicht gespült. Daß wir im Hotel permanent Frischwasser und Warmwasser haben, ist der Tatsache zu verdanken, daß das Hotel einen Frischwasser-Tank im Keller hat und soweit möglich die Warmwasser-Aufbereitung gewährleistet. Übrigens ein Indiz für den "gehobenen Standard" der Unterkunft.
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