Mit meinen Kontaktleuten läuft leider nicht alles so glatt, wie ich mir das gewünscht hätte. Vladimir in Moskau ist "plötzlich" beruflich unterwegs und daher nicht erreichbar. Seine Frau ist nicht wirklich kooperativ. Von Moskau aus versuchen wir, Alexander, meinen Kontaktmann in Südrussland, direkt telefonisch zu erreichen, was uns aber aufgrund der Telefonnetzes nicht gelingen will. Aufgrund der Tatsache, daß wir Alexander nicht erreicht haben, entsteht ein Mißverständnis bezüglich des Abholens vom Flughafen: Alexander hat sich extra für gestern und heute Urlaub genommen, um uns zu chauffieren. Das finde ich wirklich sehr bewundernswert, da wir uns nicht mal persönlich kennen und er für den besten Freund seines Bruders (nämlich meine Kontaktperson Vladimir in Moskau) das alles auf sich nimmt. Hochachtung und herzlichen Dank! So stand also Alexander gestern am Flughafen und wollte uns abholen und wir erkannten ihn nicht, weil wir nicht damit rechneten, daß er dort sein würde. Daraufhin nahmen wir ja dann das Taxi. Das Mißverständnis klärte sich dann gestern Nachmittag erst auf.
Heute Morgen also will uns Alexander im Hotel in Pjatigorsk abholen. Heute ist also dieser ganz besondere Tag meiner Reise! Ich bin aufgeregt und auch emotional sehr angespannt.

Wir fahren circa eine Stunde in Richtung Georgijewsk [Георгиевск]. Zu meiner Überraschung biegen wir nicht in Richtung der Stadt ab, sondern lassen sie rechter Hand liegen und fahren die Landstraße weiter. Das Ziel unserer Fahrt liegt nordöstlich der Stadt in offenem Gelände.
Mein Opa wurde 1947 nach Krankheit von seinem Kriegsgefangenenlager in das Krankenhaus-Lager in der Nähe von Georgijewsk überführt, in welches alle erkrankten Kriegsgefangenen der Umgebung - aus diversen Lagern - zusammengeführt wurden.
(Beispielhaft kann hier über die damaligen Verhältnisse nachgelesen werden.)
Das ehemalige Krankenhaus-Lager welches wir also passieren, ist inzwischen ein Gefängnislager und existiert immer noch an gleicher Stelle. Die Wachtürme und Zaunanlagen können wir sehen. Wir fahren weiter und erreichen nach mehreren hundert Metern das Grabfeld der unbekannten Toten des Lagers, eine grüne Wiese mit zahlreichen Grabhügeln.
Größere Kartenansicht
Zur Lokalisierung des Grabfeldes ist zu erwähnen, daß Alexander vor Ort erst einmal Nachforschungen anstellen mußte, um die Stelle überhaupt zu finden. Dazu haben sich extra Kriegsveteranen des Ortes zusammengesetzt und beratschlagt, wo das Grabfeld sein könnte. Auch hier einen ganz besonderen Dank an die Veteranen für ihre Unterstützung! Erfreulicherweise kann mir Alexander erläutern, daß im vorderen Bereich, direkt am Fluß Kuma, die Toten der damaligen Zeit begraben wurden und in den folgenden Jahrzehnten die daran angrenzenden Felder systematisch mit Gräbern bestückt wurden. Das Gebiet, auf dem mein Opa also begraben liegt, kann auf ein Größe von circa 100 Quadratmetern eingegrenzt werden.
Nun bin ich also an dem Ort, an dem mein Vorfahre, mein Opa Wilhelm, 1947 begraben wurde. Ich bin tief bewegt. Mir kommen die Tränen. Ich versuche diesen emotionalen Augenblick mit meinem Dad telefonisch zu teilen, den ich aber leider in diesem Moment per Handy nicht erreichen kann. Bedauerlicherweise kann ich das konkrete Grab meines Opas nicht orten, da ich zwar die genaue Feldbezeichnung vorab recherchieren konnte, sich dort sogar Feldmarkierungen finden, die Schilder jedoch alle dermaßen verrottet und verrostet sind, daß eine genaue Identifizierung leider nicht möglich ist.
Fast anderthalb Stunden verbringen Veronika, Alexander und ich dort, machen zahlreiche Fotos und Kurzfilmaufnahmen.

Wir werden fürstlich bekocht und verbringen einen kurzweiligen Mittag in der Wohnküche des Hauses.
Zurück nach Pjatigorsk fahren wir nachmittags mit dem Überlandbus.
Wir besuchen auf Veronika's Wunsch hin mal wieder einen Basar und suchen anschliessend einen Friseur auf. Auch ich lasse mir einen russischen Kurzhaarschnitt für einen Spottpreis verpassen.
Abends erwirken wir durch das Sprechen der deutschen Sprache Einlaß in ein angesagtes Restaurant mit angegliederter Diskothek. Nach dem Essen tanzen wir zwischendurch ein wenig nach russischer und kaukasischer Musik. Im Laufe des Abends erleben wir dort ausgelassene russische Tänzer und Tänzerinnen, eine Schlägerei unter Betrunkenen, daraufhin das Auflaufen der Miliz und den Versuch einer Zechprellerei durch eine Geburtstagsgesellschaft. Wir lernen "neue Freunde" kennen, die uns wie üblich unmittelbar zum Wodka-Trinken einladen. Jedenfalls ist es ein sehr erlebnisreicher Tag und Abend!
___________________________
Alle Fotos dieses Tages gibt's hier (bitte auf das Foto klicken):
_________________________________________
Fortsetzung (6. Tag), bitte HIER klicken!
_________________________________________
Einen Tag zurück (4. Tag), bitte HIER klicken!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen