Mittwoch, 1. Oktober 2008

Abenteuer Russland - 5. Tag

Mittwoch, der 01. Oktober 2008:

Mit meinen Kontaktleuten läuft leider nicht alles so glatt, wie ich mir das gewünscht hätte. Vladimir in Moskau ist "plötzlich" beruflich unterwegs und daher nicht erreichbar. Seine Frau ist nicht wirklich kooperativ. Von Moskau aus versuchen wir, Alexander, meinen Kontaktmann in Südrussland, direkt telefonisch zu erreichen, was uns aber aufgrund der Telefonnetzes nicht gelingen will. Aufgrund der Tatsache, daß wir Alexander nicht erreicht haben, entsteht ein Mißverständnis bezüglich des Abholens vom Flughafen: Alexander hat sich extra für gestern und heute Urlaub genommen, um uns zu chauffieren. Das finde ich wirklich sehr bewundernswert, da wir uns nicht mal persönlich kennen und er für den besten Freund seines Bruders (nämlich meine Kontaktperson Vladimir in Moskau) das alles auf sich nimmt. Hochachtung und herzlichen Dank! So stand also Alexander gestern am Flughafen und wollte uns abholen und wir erkannten ihn nicht, weil wir nicht damit rechneten, daß er dort sein würde. Daraufhin nahmen wir ja dann das Taxi. Das Mißverständnis klärte sich dann gestern Nachmittag erst auf.

Heute Morgen also will uns Alexander im Hotel in Pjatigorsk abholen. Heute ist also dieser ganz besondere Tag meiner Reise! Ich bin aufgeregt und auch emotional sehr angespannt.

Pünktlich um 10:00 Uhr ist Alexander im Hotel. Ab dem ersten Moment schlägt mir eine Sympathie und Hilfsbereitschaft entgegen, die ich ganz bemerkenswert finde. Und ich finde auch ihn sehr sympathisch und ich bin ihm unendlich dankbar, daß er mich zu dem Ort begleitet, der finales Ziel dieser Abenteuerreise sein soll.
Wir fahren circa eine Stunde in Richtung Georgijewsk [Георгиевск]. Zu meiner Überraschung biegen wir nicht in Richtung der Stadt ab, sondern lassen sie rechter Hand liegen und fahren die Landstraße weiter. Das Ziel unserer Fahrt liegt nordöstlich der Stadt in offenem Gelände.

Mein Opa wurde 1947 nach Krankheit von seinem Kriegsgefangenenlager in das Krankenhaus-Lager in der Nähe von Georgijewsk überführt, in welches alle erkrankten Kriegsgefangenen der Umgebung - aus diversen Lagern - zusammengeführt wurden.
(Beispielhaft kann hier über die damaligen Verhältnisse nachgelesen werden.)
Das ehemalige Krankenhaus-Lager welches wir also passieren, ist inzwischen ein Gefängnislager und existiert immer noch an gleicher Stelle. Die Wachtürme und Zaunanlagen können wir sehen. Wir fahren weiter und erreichen nach mehreren hundert Metern das Grabfeld der unbekannten Toten des Lagers, eine grüne Wiese mit zahlreichen Grabhügeln.


Größere Kartenansicht

Zur Lokalisierung des Grabfeldes ist zu erwähnen, daß Alexander vor Ort erst einmal Nachforschungen anstellen mußte, um die Stelle überhaupt zu finden. Dazu haben sich extra Kriegsveteranen des Ortes zusammengesetzt und beratschlagt, wo das Grabfeld sein könnte. Auch hier einen ganz besonderen Dank an die Veteranen für ihre Unterstützung! Erfreulicherweise kann mir Alexander erläutern, daß im vorderen Bereich, direkt am Fluß Kuma, die Toten der damaligen Zeit begraben wurden und in den folgenden Jahrzehnten die daran angrenzenden Felder systematisch mit Gräbern bestückt wurden. Das Gebiet, auf dem mein Opa also begraben liegt, kann auf ein Größe von circa 100 Quadratmetern eingegrenzt werden.

Nun bin ich also an dem Ort, an dem mein Vorfahre, mein Opa Wilhelm, 1947 begraben wurde. Ich bin tief bewegt. Mir kommen die Tränen. Ich versuche diesen emotionalen Augenblick mit meinem Dad telefonisch zu teilen, den ich aber leider in diesem Moment per Handy nicht erreichen kann. Bedauerlicherweise kann ich das konkrete Grab meines Opas nicht orten, da ich zwar die genaue Feldbezeichnung vorab recherchieren konnte, sich dort sogar Feldmarkierungen finden, die Schilder jedoch alle dermaßen verrottet und verrostet sind, daß eine genaue Identifizierung leider nicht möglich ist.

Fast anderthalb Stunden verbringen Veronika, Alexander und ich dort, machen zahlreiche Fotos und Kurzfilmaufnahmen.

Alexander lädt uns anschließend zum Mittagessen zu sich nach Hause ein. Sein Sohn lernt den Beruf des Koches und er hat für uns typische russische Speisen vorbereitet. Wir willigen ein und freuen uns über die herzliche Gastfreundschaft. Alexander ist verheiratet und hat drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Wir treffen an diesem Tag nur die beiden Söhne zu Hause an. Die Familie lebt in der ländlichen Region in der Ortschaft Georgijewsk. Georgijewsk selbst hat knapp 70.000 Einwohner. Das Haus und auch die Umgebung lassen auf eher ärmliche Verhältnisse schliessen, was in keinster Weise abwertend gemeint sein soll. Das "Plumpsklo" befindet sich in einem Toilettenhäuschen ohne fliessendem Wasser im hinteren Teil des Grundstückes, hinten im Garten. Daran schliesst sich der Garten an, in dem Gemüse und Obst angebaut sowie Stallhasen gehalten werden. Hier befinden sich auch die Bienenstöcke von Alexander. Er ist nämlich Imker und verkauft den Honig gewerbsmässig. Nebenher arbeitet er als Elektriker und repariert Kühlaggregate.
Wir werden fürstlich bekocht und verbringen einen kurzweiligen Mittag in der Wohnküche des Hauses.

Zurück nach Pjatigorsk fahren wir nachmittags mit dem Überlandbus.

Wir besuchen auf Veronika's Wunsch hin mal wieder einen Basar und suchen anschliessend einen Friseur auf. Auch ich lasse mir einen russischen Kurzhaarschnitt für einen Spottpreis verpassen.

Abends erwirken wir durch das Sprechen der deutschen Sprache Einlaß in ein angesagtes Restaurant mit angegliederter Diskothek. Nach dem Essen tanzen wir zwischendurch ein wenig nach russischer und kaukasischer Musik. Im Laufe des Abends erleben wir dort ausgelassene russische Tänzer und Tänzerinnen, eine Schlägerei unter Betrunkenen, daraufhin das Auflaufen der Miliz und den Versuch einer Zechprellerei durch eine Geburtstagsgesellschaft. Wir lernen "neue Freunde" kennen, die uns wie üblich unmittelbar zum Wodka-Trinken einladen. Jedenfalls ist es ein sehr erlebnisreicher Tag und Abend!

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